„Seit ich meinen Job los bin, macht er mir wieder Freude.“
Phantomarbeit handelt von Menschen die ihren Job verlieren und es niemandem erzählen. Sie gehen weiter morgens aus dem Haus und täuschen Arbeit vor. Täglich bläht sich ihre Lüge weiter auf. Pünktlich zum Feierabend treten sie aus einem abgelegenen Café den Heimweg an. Zuhause müssen die ausgeklügelten Ausreden von gestern weitergestrickt und dem aktuellen Tagesgeschehen angepaßt werden. Einsatz, Disziplin, geballte Kreativität und immer gewagtere Winkelzüge werden abverlangt, um vor Familie und Freundeskreis die Scheinbeschäftigung nicht zu verlieren und das Zuschnappen von Schuldenfallen zu verzögern …
„WIR SIND VIELE UND WIR WERDEN IMMER MEHR! Überall habe ich neue von uns entdeckt, in jeder Pause war ich heute unterwegs, ohne Angst vor alten Kollegen und voller Neugier auf die neuen: Menschen, die wie ich zu einer Arbeit gehen, die es nicht mehr gibt, mein Gespür dafür wird immer genauer, sie sitzen nicht nur in Cafés, sie stehen auch am Kiosk, es gibt da eine klare Klassentrennung: die Handarbeiter von gestern heben als Phantomarbeiter stehend ihre Bierflaschen und die tatenlosen Schreibtischtäter geistern lieber durch Bibliotheken, Museen und Cafés, beide Arten meiden während der Arbeitszeit ihren eigenen Stadtteil wie Vampire das Kreuz und an Imbissbuden habe ich Gespräche aufgeschnappt, manche geben ihr gefälschtes Dasein gegenseitig sogar zu, sie hoffen auf eine unauffällige berufliche Wiedergeburt damit ihnen die familiäre Beichte erspart bleibt und vielleicht ist das auch meine Chance, … wie viele Monate oder Jahre Lebenserwartung hat wohl so ein Phantom und wie viele gibt es in der Stadt, Hunderte oder Tausende, WIR SIND VIELE UND WIR WERDEN IMMER MEHR!“
Luftkisssenlesung: Caroline Peters und Till Müller-Klug
Text: Till Müller-Klug
Musik: Daniel Haaksman
Soundmix: Henrik Kuhlmann
Bühne: Tanja Krüger
Fotos: Cal McBride
Assistenz: Gerko Egert
Juni 2003, Podewil Berlin