Europa, eine Plagiate-Saga Hörspiel des Monats


Plagiate plagiieren oder auch „copy, shake and paste“. So lautet das Prinzip von „Europa, eine Plagiate-Saga“. Till Müller-Klugs Hörspiel ist eine dynamische Collage, die sich aus den Versatzstücken zusammenkopierter Doktorarbeiten und Szenen über einen karrierebewussten EU-Politiker zusammensetzt, der dem krisengeschüttelten Europa mit einer „Chancenkonferenz“ und Imagekampagne auf die Sprünge helfen will. Dass dieser Christoph Sonthofen (Matthias Matschke) sich dabei neuer Cover-Versionen bekannter Songs bedienen will und später Lilly (Marleen Lohse), eine seiner Affären überzeugt, ihm die für den Ausschussvorsitz benötigte Doktorarbeit fertig zu schreiben, ist nur konsequent. Seine Beschränkung auf bereits Gesagtes ist freiwillig und hat System. Das Hörspiel erzählt nicht von Auswegen, die vor der „Eurokalypse“ retten könnten. Es breitet fröhlich den kompletten Sound aus, der die Suche nach Lösungen zur Zeit begleitet.

Ein rasant geschnittenes Nachrichtenmedley eröffnet „Europa, eine Plagiate-Saga“. Es folgt Sonthofens erster Auftritt, lässig, mit krächzender Stimme, von sich selbst begeistert wie ein junger Werbetyp. Die „Chancenkonferenz“ beginnt, sie wird unterbrochen von den Telefonaten mit Lilly, die so lange mitspielt, wie das Verhältnis zu Sonthofen eine EU-Karriere zu verspricht. Als sie bei ihm den Fotoordner „Euro-Miezen“ entdeckt, sind ihr sein Doktortitel und Ausschussvorsitz gleichgültig, sie nutzt die Vorarbeiten, um selbst Karriere zu machen. Das Plagiieren und Kopieren ist offenbar nicht mehr nur unter Politikern und Wirtschaftsleuten üblich, sondern in der Universität angekommen.

Mit „Europa, eine Plagiate-Saga“ ist Till Müller-Klug ein kurzweilig-kritisches Stück über Europa als Hölle selbstreferentieller Studien, lärmender Kampagnenmaschine und Karrierebeschleuniger gelungen. Es befeuert außerdem das Nachdenken über die Grenzen zwischen Wissenschaft und Literatur. Was unterscheidet eine zusammengeklaute Doktorarbeit von einer Literatur des Plagiats, deren bekanntestes Beispiel der Roman „Axolotl Roadkill“ (2010) ist? Was ist Kopie und was Plagiat, oder doch „Inspirat“, wie es an einer Stelle heißt? Was wird aus der Utopie eines Online-Europa angesichts von ACTA und der Kriminalisierung der Kopie als “Kulturform des 21. Jahrhunderts”?