DIE GEDANKENSENDERIN


Die Freundin eines Elektronikbastlers steht unter Strom: ein Gerätegeschwür wächst und wuchert in der gemeinsamen Wohnung, verschlingt Geld und verdrängt Gefühle. Ein knisterndes Konfliktfeld elektrischer und emotionaler Spannungen, in dem die Gedankensenderin nach Auswegen sucht. Ein letztes Mal konzentriert sie sich auf einen Punkt zwischen ihren Augen, KOMM, FÜHL DIE GLUT, und schickt das Publikum auf einen Schleuderkurs zwischen Hypnose-Show, Beziehungsdrama und Poesie-Performance.

“Ich denke an dich.

Ich kann dich sehen. Jetzt, wie du über die Straße läufst, Hände in den Taschen, Schultern hochgezogen, Blick auf den Asphalt, dir ist kalt. Du preßt die Lippen aufeinander und gehst schneller, vorbei an der Tankstelle, vorbei am Elektronik An- und Verkauf, drei, vierhundert Meter noch zum Haus, du schiebst die Hände tiefer in die Jacke, die Uhr, die Uhr, die Uhr, die Armbanduhr.

Ich denke an dich.

Deine schwarze Casio. Da, nun hast du die linke Faust aus der Tasche gezogen, Autoscheinwerfer blitzen über die Anzeige, du ziehst die Augenbrauen zusammen und liest die grünlich schimmernde Zahl, irgendeine Zeit, deine, nicht meine Zeit, denn alle Uhren, die du anschaust, sagen dir seit Monaten dasselbe: beim nächsten Ton ist es … verdammt spät, und jetzt, wo du die Hand zurück in die Jacke stößt, hat es dich wieder eingeholt, dieses Gefühl, diesmal könnte es später sein, zu spät.
[…]
Ich denke an dich und die Nacht, als es anfing. Die Elektrode auf meiner Stirn. KOMM, FÜHL DIE GLUT. Die weißen Balken des Pong-Spiels an der Wand, immer wieder hast du mich neu verkabelt, bist hinter das Schaltpult gekrochen, hast Stecker gewechselt, Widerstände gemessen, an Reglern geschraubt und irgendwann hat es tatsächlich funktioniert, allein mit der Kraft meiner Gedanken konnte ich den Schläger bewegen, den Ball treffen, für mich war es nicht mehr als eine schöne Spielerei, für dich war es ein Wunder. Die Entdeckung der Schnittstelle Mensch/Maschine. Der Beginn einer neuen Zeitrechnung: die Uhr, die Uhr, die Uhr, das war der Startschuß, den außer dir niemand gehört hat und seitdem rennst du …  ”

CREDITS:

Mit Caroline Peters
Text und Regie: Till Müller-Klug
Musik: Daniel Haaksman
Foto: Cal McBride
Besonderen Dank an die C-Base für die Leihgabe des Elektroenzephalographen.

TERMINE:

November 2003, Malersaal, Deutsches Schauspielhaus Hamburg

Mai 2003, Kunstverein Hamburg

November 2002, Neues Cinema, Deutsches Schauspielhaus Hamburg

Mai 2002, Podewil Berlin

PRESSESTIMMEN:

Die Gedankensenderin wurde in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater Heute in der Kategorie „Bestes Stück“ und Caroline Peters als “Beste Schauspielerin” nominiert.

“Ein Text wie ein Hypnose-Trip mit allen stimm-technischen Rafinessen serviert. Feine Schauspielkunst”
Morgenpost Hamburg, 11.11.02

“Eindringlich tröpfeln ihre Worte in die Gehirne der Zuschauer. ‘Ich, du, und mein Leben ohne dich. Dein Leben, meins und ich ohne deins. Lebensabschnitt.’ … Vor einem wuchtigen EEG-Monster aus den 60er Jahren verführt Caroline Peters zum assoziativen Kopfkino. Durch ihre Stimme, eingespielte Klänge und den Einsatz von Effektgeräten bereitet die Schauspielerin dem Zuschauer ein intimes, sinnliches Bühnenhörspiel.”
Hamburger Abendblatt, 11.1102

“Caroline Peters sucht Augenkontakt mit den Zuschauern im Neuen Cinema, die sie schnell zu fesseln versteht. Ihr Mund formt Sätze zum Monolog Die Gedankensenderin. … Fast flüstert sie. Langsam, leise, hypnotisch. Dazu jagen verzerrte Elektroklänge von Soundtüftler Daniel Haaksman durch den Raum. Zwischendurch dreht sie verschiedene Knöpfe der EEG-Maschine. Sie weiß die Knöpfe zu bedienen. Auch wenn sie nur wenige Gesten und wenige Schritte vollführt, ist ihre Präsenz unübertroffen. Sie lässt das Publikum nie aus dem Blick. Kokettiert und spielt mit ihm. Diese Frau führt etwas im Schilde.
Die Lösung folgt am Schluss. Das abschließende ‘Date, Duett oder Duell’. Die Eifersucht auf Lötkolben und Batterieaufladegeräte entlädt sich, und jetzt ist sie es, die ein Neutron und ein Elektron durch den Kupferdraht flitzen lässt. Und sich freisprengt.”
Annette Stiekele, taz, 12.11.02

“… eine intime, nächtlich geflüsterte Liebesgeschichte … Eine Frau beobachtet ihren Freund aus jener Ich-kenne-dich-doch-auswendig-Perspektive heraus, die vom Ende einer Beziehung kündet. Ihre Enttäuschung lenkt sie stellvertretend auf seinen Gerätefuhrpark, den sie am Ende (vermutlich) in die Luft jagt. Müller-Klugs Sprache trägt die poetische Verrätselung seines Plots bis zum letzten Moment. Die Schauspielerin Caroline Peters in einem mädchenhaft weißen Unschuldslook, aber mit hintersinnigem Pierrot-Lächeln und einem breiten Stimmregister lohnte den Besuch in jedem Fall.”
Berliner Zeitung

 

Foto: Cal McBride